Der Spiegel, Reisetrends 2022
Low-Touch-Tourism, Workation, Staycation
Deutschland kann auch spektakulär – und der Urlaub zu Hause ist einer der Trends des kommenden Jahres. Zumindest, solange die Pandemie anhält. Und was steht noch auf dem Plan?
01.01.2022, 15.54 Uhr, Spiegel Online Quelle
Wenn Urlauber in den vergangenen zwei Jahren eines gelernt haben, dann das: Reisen planen ist eine Sache, Reisen antreten eine andere. Denn das Virus hält sich weder an Ländergrenzen noch an Ferientermine und verändert sich ständig. Zugleich haben die nötigen Coronamaßnahmen mit Homeoffice, Kontaktbeschränkungen und Lockdowns tief in unseren Alltag eingegriffen – und werden es wohl auch im Reisejahr 2022 tun.
Trends, die sich bereits in den vergangenen Sommern formten, werden auch im kommenden Jahr unsere Planung bestimmen.
Dies sind sie:
Trend Nummer eins: Unterwegs im rollenden Schneckenhaus
Wer regelmäßig Autobahn fährt, kann bestätigen, dass gefühlt jeder dritte Wagen ein Wohnmobil, zumindest aber ein Camper ist. Allein von Januar bis Oktober 2021 wurden rund 73.500 Wohnmobile neu zugelassen – ein Rekord. Gebremst wird dieser Boom derzeit nur von langen Lieferzeiten. Die Branche hat – wie viele andere auch – Probleme mit dem Nachschub wichtiger Bauteile.
Aber auch jede andere Art von Camping beziehungsweise der gehobenen Form »Glamping« wachsen weiter. Urlaub in der eigenen mobilen Behausung entspricht dem, was der Humangeograf Markus Hilpert von der Universität Augsburg »Low-Touch-Tourism« nennt, also möglichst kontaktfreies Reisen.
Trend Nummer zwei: Lieber mieten statt logieren
Egal ob Jolle, Jacht, Ferienwohnung oder Villa – alles, was man temporär mieten kann, wird weiterhin im nächsten Jahr stark nachgefragt. Das Reiseportal Booking.com hat 24.000 Konsumentinnen und Konsumenten in 31 Ländern zu ihren Präferenzen befragt. 55 Prozent gaben an, dass sie sich auch im nächsten Jahr eher für eine Ferienwohnung als ein Hotel oder Resort entscheiden werden. In Deutschland waren es sogar 60 Prozent der Befragten.
Urlauberinnen und Urlauber suchen offenbar wegen der Pandemie nach Unterkünften, die öffentliche Keimherde (Touchscreens, Türklinken, Liftknöpfe) sowie Kontakt mit fremden Personen (Lobbys, Speisesäle) auf ein Minimum reduzieren.
Durch zahlreiche Kontakt- und Reisebeschränkungen haben wir entdeckt, dass allein virtuelle Begegnungen nicht reichen. Wir brauchen Familie und Freunde, und zwar analog. Corona hat viele Begegnungen verhindert oder aufgeschoben. Das wird nun nachgeholt.
Das Reservierungssystem Amadeus kann das belegen: Seit Herbst 2020 haben die Gruppenbuchungen um 83 Prozent zugenommen. Generationsübergreifender Familienurlaub sowie Reisen mit den besten Freunden werden daher im nächsten Sommer wieder populär sein – wenn es das Virus erlaubt.
Trend Nummer vier: Der Hund muss mit
Hunde willkommen: Manche Hotels und Ferienhäuser gestatten auch Vierbeiner in ihren Zimmern
Nicht nur die ganze Familie, von Opa bis Baby, muss mit in den Urlaub. Bereits vor der Pandemie lebte in jedem fünften Haushalt ein Hund. Dem Verband für das deutsche Hundewesen (VDH) zufolge löste Corona einen Boom aus. Rund 20 Prozent mehr Hunde wurden allein 2020 verkauft. Andere Länder erlebten Ähnliches.
Folglich stellt der Hotelkonzern Hilton in seinem Trendreport 2022 fest, dass eine wachsende Zahl von Gästen, vor allem jüngere Hundebesitzer der Generation Z und Y, nicht ohne ihre bellenden Gefährten reist. Hundefreundliche Hotels haben also Konjunktur.
Trend Nummer fünf: Vergiss die Bucket List
Machu Picchu, der Pariser Louvre oder einfach nur ins Gruppenferienhaus nach Dänemark – statt lange Listen darüber zu führen, wohin man in diesem Leben noch unbedingt reisen möchte, hat uns Covid-19 beigebracht, bloß nicht zu warten oder sich zu aufwendige Ziele zu stecken.
Wer zu lange zögert, den bestraft die nächste Virusvariante – und die daraus resultierenden Coronamaßnahmen. Die Taktik besteht also nicht darin, auf bessere oder gar wieder normale Zeiten zu spekulieren, sondern die Chance immer sofort zu ergreifen, wenn die Wunschreise möglich und die Umsetzung auch pandemiekompatibel ist: man also weder sich noch die Gastgeber im Urlaubsland gefährdet.
Wobei – und das hat uns die Klimakrise gelehrt – Trend Nummer sechs bei der Reiseplanung nicht zu vernachlässigen ist.
Trend Nummer sechs: Nachhaltiger reisen
Die Frage, ob es sinnvoll ist, zu Dumpingpreisen kurz mal übers Wochenende zum Shopping nach Paris zu jetten, stellen sich immer mehr Reisende. Greta Thunberg und Fridays for Future sei Dank. Der Unternehmensberatung Accenture zufolge würden 86 Prozent der Reisenden gerne nachhaltig unterwegs sein. Allerdings setzen nur wenige ihren guten Vorsatz auch um.
Adäquat auf die Klimakrise zu reagieren, ist trotzdem nicht nur Sache von Regierungen und Unternehmen. Jeder kann seinen Teil dazu beitragen. Das bedeutet nicht den Verzicht aufs Reisen, aber vielleicht weniger zu reisen, dafür längere Fernreisen, Bahn statt Kurzflug und Aktivitäten, die vor Ort einen geringeren CO2-Fußabdruck hinterlassen und die lokale Wirtschaft fördern.
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